Die Wiedergeburt von Omega-Chapter 770: Veränderungen auf der anderen Seite des Meeres (Kap.771)

Einige Augenblicke lang betrachtete Neveah den fremden Mann in Schweigen und grübelte über seine eben ausgesprochenen Worte. Sie war sich sicher, dass sie ihm noch nie begegnet war, doch seine Worte und seine markanten Gesichtszüge verschafften ihr eine ziemlich klare Vorstellung von seiner Identität. Dass er zu diesem Zeitpunkt jedoch hier war, machte einfach keinen Sinn. Und sie wusste nicht recht, wie sie reagieren sollte.

Sie hatte sich tausendmal ausgemalt, was sie Alessio oder Lothaire als Erstes sagen würde, oder ob vielleicht ihre Klauen das Wiedersehen besiegeln würden – diesen Moment hier hatte sie allerdings nicht bedacht.

"Ich mag meine Haare, wie sie sind", waren die ersten Worte, die über Neveahs Lippen kamen. Ihr Tonfall war reflexartig trotzig und sie unterdrückte den Impuls, sichtlich zusammenzuzucken.

Zu ihrem Entsetzen tätschelte er daraufhin Neveahs Kopf, als sei sie ein kleines Kind in seinen Augen. "Schön für dich."

Dann, ohne ein weiteres Wort, keinerlei Vorstellung oder Versuch, Neveahs Überraschung zu erklären, als wüsste er, dass sie die Zusammenhänge bereits verstanden hätte, wandte er sich ab und schritt in den dichten Nebel hinein, offensichtlich in der Erwartung, dass sie ihm folgen würde.

Verblüfft blinzelnd eilte sie ihm nach. Sie kneifte die Augen zusammen, um einen Blick auf seine Silhouette durch den Nebel zu erhaschen, während er so selbstsicher voranschritt, als könnte er mühelos durch ihn hindurchsehen.

Es dauerte nicht lange, bis sie den Nebel hinter sich ließen und einen schmalen Waldweg entlangwanderten. Neveahs Blick hing an dem Mann – seltsam, dass sich jemand, der scheinbar in einem Traumzauber gefangen war, so heimisch fühlte.

Er führte sie bis zu einer kleinen Hütte mitten im Nirgendwo, in die er ohne Zögern eintrat und die Tür offen ließ.

Kurz verharrte sie unschlüssig auf der Veranda. Erst als er seinen Kopf wieder durch die Tür steckte und sie mit einem ungeduldigen Blick bedachte.

"Also?" drängte er. "Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich habe nicht ewig Zeit."

Neveah bemerkte, dass er trotz seiner eindrucksvollen Ausstrahlung einen ziemlich eigenwilligen Charakter hatte. Sie war sich unsicher, ob sie das amüsant fand oder eher beunruhigend. Sie schob ihr Zögern beiseite und trat in die Kabine, in der ein kleiner Holztisch im Mittelpunkt des Eingangsbereichs stand.

Er lehnte an der Tür und bedeutete Neveah mit einer Handbewegung, sich an den Tisch zu setzen. Es dauerte eine Weile, bis er das Schweigen unterbrach.

"Du hast uns hierher geschickt, nicht wahr?" beschuldigte er sie.

Neveah vermutete, mit ’hier’ meinte er den Traumzauber, der gerade wirkte. Sie presste ihre Lippen zusammen und nickte langsam.

"Ich war mir nicht sicher, was mich erwarten würde. Ich wusste nicht... wer..." Neveah stockte, doch sie brauchte ihren Satz nicht zu beenden, denn er nickte verständnisvoll.

"Und jetzt?" fragte er und verschränkte die Arme.

"Nun... du musst Alpha-König Nolan vom Winterreich sein." antwortete Neveah mit einem Achselzucken.

Er brummte zustimmend: "Das bin ich in der Tat.""Dich gibt es also auch... Du bist der kleine Bruder meiner Mutter", fügte sie mit erheblich leiserer Stimme hinzu.

Diesmal antwortete Alpha Nolan nicht. Er verharrte in völliger Stille für einen langen Augenblick, bevor er tief durchatmete.

"Als Kaideon Kunde von deiner Existenz gab... wagte ich nicht, es zu glauben. Dass Eira in dieser Welt einen Nachkommen hinterlassen hatte..." Er hielt inne, trat weg von der Tür und nahm Neveah gegenüber Platz.

"Nun weiß ich es", murmelte er, seine Stimme war heiser und kaum vernehmbar. "Du siehst deiner Mutter zum Verwechseln ähnlich, Neveah."

Eine Flut von Emotionen überkam Neveah, so rasch, dass es schmerzte. "Das hat man mir schon öfter gesagt", erwiderte sie leise.

"Doch du verhältst dich nicht wie sie", fügte er hinzu. "Dein Wesen erinnert sehr an diesen nervigen Drachen, Kaideon."

Ein amüsiertes Zucken spielte um Neveahs Lippen, doch sie nickte zustimmend. Es war nicht schändlich, Eigenschaften von beiden Elternteilen zu haben, vor allem nicht, wenn sie ihr Leben lang geglaubt hatte, sie wäre es nicht wert gewesen, geboren zu werden.

"Ich würde gerne sitzen und alles erfahren, was du erlebt hast... aber wir haben keine Zeit." Alphakönig Nolan fuhr fort. "Das Winterreich wird angegriffen, und ich muss unverzüglich mit den Kriegern zurück. Dein Großvater wird den Kräften der Eklipse nicht lange standhalten können."

Das Herz sank Neveah in die Tiefe, als das Eklipsenreich erwähnt wurde, ihre Augen weiteten sich.

"Aber es gibt einen Friedensvertrag zwischen den vier Domänen. Kriege hat es seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben!" stieß sie ungläubig aus.

"Das Reich hat sich seit deiner Abwesenheit stark verändert, Neveah. Alessio Terran Lothaire wurde zum Alphakönig der Eklipse gekrönt, nachdem er Lothaire Raul gestürzt hatte, und die Kriege enden nicht. Das Eklipsenreich ist geplagt von inneren Kämpfen, die allein die absolute Vorherrschaft zum Ziel haben. Nun strebt Alessio nach Eroberung." Er sprach mit kaltem und tödlichem Unterton.

’Alessio ist jetzt Alphakönig... und gelangt an die Macht durch Gemetzel und Blutvergießen, genau wie ihm Lothaire es lehrte.’ Neveah ballte die Fäuste.

Alessio war Lothaires einziger Erbe. Es hatte nie infrage gestanden, dass er eines Tages den Titel erben würde – es war eine ausgemachte Sache. Doch die Vorstellung, dass es bereits geschehen war, und auf diese Weise, war genau so realitätsfern wie die trügerische Wirklichkeit, in die der dunkle Zauberer sie gesandt hatte, und bei diesem Gedanken unterdrückte Neveah ein Schaudern.

"Wenn er so kühn ist, das Winterreich herauszufordern, dann muss es da noch mehr geben..." murmelte Neveah. "Alessio weiß, dass das Winterreich nur vom Ätherischen Reich übertroffen wird und das Eklipsenreich in der Stärke nachsteht."

Alpha Nolan nickte.

"Wenige Tage, bevor wir hierher kamen, erreichte uns die Nachricht, dass eine Allianz aus fünfzig Rudeln der Eklipse unter Alessios Führung auf das Winterreich zuschreitet. Obwohl dies eigentlich Anlass zu einem Krieg wäre, behaupten sie, nicht zum Kampf, sondern zu Verhandlungen gekommen zu sein..." Er verstummte.

Noch bevor die Worte ausgesprochen waren, sank Neveahs Herz bereits in sich zusammen.

"Er fordert eine gewaltfreie Kapitulation des Winterreichs. Er behauptet... Eira in seiner Gewalt zu haben." offenbarte Alpha Nolan.

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